»Du bist so mutig!«
Dies ist der Satz, den ich in den letzten Wochen an häufigsten gehört habe. Weil ich mit meinem Pferd nach Portugal ausgewandert bin, weil ich keine Lehrerin mehr bin, sondern Tierkommunikatorin, weil ich Veränderungen ohne Zaudern angehe. Mutig sei ich, das höre ich schon lange immer wieder und seit ich mit dem Blogschreiben begonnen habe noch öfter. So oft, dass ich viel darüber nachgedacht und beschlossen habe, mit diesen Gedanken an der Blogparade von SteffisTraumZeit teilzunehmen. Auch die Blogparade von Susanne Burzel hat mich für diesen Beitrag zum Nachdenken angeregt.
Warum ich diesen Satz nicht verstehe, wie ich Mut begreife und welche heimlichen Schlüsselmomente mein Leben verändert haben – davon erzähle ich in diesem Blogbeitrag, in dem natürlich auch ein mutiges Pferd eine Rolle spielt.
Wofür ich früher Mut gebraucht habe – und heute nicht mehr
»You may say I am a dreamer, but I am not the only one…«
Früher war ich eine Träumerin. Ein Kind mit einer blühenden Fantasie, eine Jugendliche voller Sehnsucht, eine orientierungslose junge Erwachsene. Ich wusste nicht, was mir fehlte, um meine Träume zu verwirklichen. Es war nicht der Mut, der nicht da war – jedenfalls nicht im klassischen Sinn – sondern etwas anderes. Ich selbst fehlte mir. Und damit vielleicht doch auch der Mut. Der Mut, ich selbst zu sein.
Wer bin ich? Wer bin ich wirklich? Auf diese Frage hatte ich keine Antwort. Ich glaube, ich stellte sie mir nie. Nicht in einem Alter, in dem man lernt, sich im Vergleich mit anderen zu messen. Es war nicht so, dass ich in diesem Vergleich schlecht abschnitt. Ich schnitt überhaupt nicht ab. Von Kind an fühlte ich mich anders – und wurde auch von außen so wahrgenommen. Meine gleichaltrige Cousine sagte viele Jahre später, als wir in Erinnerungen an unsere Jugend-Clique schwelgten, beiläufig einen Satz, der zu einem der vielen unbemerkten Schlüsselmomente wurde, die mein Leben langsam veränderten: „Du warst halt schon immer anders als wir.“ Dieser Satz klang nicht abfällig, sondern freundlich, feststellend, anerkennend. Während ich heranwuchs, erfuhr ich diese Wertschätzung nicht. Im Gegenteil: ich war eine Außenseiterin. Statt Selbstwertgefühl entwickelte ich eine ausgeprägte Selbstkritik.
Meine Traum- und Fantasiewelten waren für mich nicht minder real als die alltägliche Welt, aus der ich innerlich floh, weil ich es äußerlich nicht konnte. Als Kind und Jugendliche konnte ich nirgendwohin ausbrechen. Als junge Erwachsene vermochte ich es nicht. Nicht weil ich nicht wusste, was ich wollte, sondern weil mir das Wie schleierhaft war. So gern wäre ich gen Indien aufgebrochen nach dem Abi und per Interrail durch Europa. Mein jugendliches Ich träumte vom Reisen, träumte davon Schriftstellerin und Illustratorin zu werden, träumte von Freiheit. Als Studentin träumte ich vom Leben auf dem Bauwagenplatz, später träumte ich von meinem eigenen Pferd und Hof auf dem Land. Ich wusste nicht, dass ich Mut dafür gebraucht hätte, diese Träume zu verwirklichen, weil es nicht Angst war, die mich daran hinderte, sondern ein fehlendes Gefühl für mich selbst. Was mir mehr als mein halbes Leben fehlte, war der Mut, ich selbst zu sein.
Von der Angst, ich selbst zu sein
»Imagine there’s no countries, it isn’t hard to do. Nothing to kill and die for, and no religion, too …«
Ich weiß nicht einmal, ob ich wirklich Angst davor hatte, ich selbst zu sein, wahrscheinlich schon. Doch viel mehr fühlte ich mich verloren. Das Grundschulmädchen, welches immer als letzte in die Brennballmannschaft gewählt wurde. Die Brillenschlange, die als Teenager vergeblich nach Anschluss suchte. Die Jugendliche, die ihn schließlich zumindest vordergründig dort fand, wo Outsider zu sein cool erschien. Die junge Erwachsene, die trotz eines Kopfes voller Träume, die sie in Büchern, Filmen und ihrer eigenen Fantasie gefunden hatte, nicht wusste, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte. Weil sie nur das Gefühl kannte, nicht in diese Welt zu passen, nie und nirgendwo richtig dazu zu gehören. Weil sie jedoch auch nicht wusste, wer sie jenseits der Konventionen war. Weil all meine jüngeren Ichs gelernt hatten, dass es sehr wohl Länder und Religionen gab, Übereinkünfte, die ich nicht verstand und Zusammenschlüsse, die mir nicht offen standen. Erst als ich mich längst einigermaßen ins ’normale‘ Leben eingepasst hatte und Kunst- und Deutschlehrerin geworden war statt Schriftstellerin und Illustratorin, kamen die Schubladen auf, in die ich gepasst hätte: Hochsensibilität, der Spektrumgedanke des Autismus, Scanner-Persönlichkeit, Vielbegabung, die stillen Formen von ADHS. Ich bin nicht losgegangen, ich selbst zu sein, weil ich keine Idee davon hatte, wer ich tief im Herzen bin.
Warum ich Mut nicht verstehe, das Konzept von Mut aber wundervoll finde
»Imagine all the people – sharing all the world …«
Ich mag keine Schubladen und brauche keine Diagnosen, um mich zu identifiztieren. Vielleicht habe ich diese Abneigung entwickelt, weil ich mich nie so richtig dazugehörig und immer so anders empfand, dass ich nicht einmal Anknüpfungspunkte für den Vergleich mit anderen fand – außer, dass ich mich nicht richtig fühlte, so wie ich war. Hochsensibilität, Vielbegabung und ADHS haben alle individuelle Ausprägungen und meine trägt mein eigenes Gesicht. Ich bin keine Autistin, aber ich trage einen stark ausgeprägten autistischen Anteil in mir, der sich mir erstmals bei einem Seelenlauf wahrhaft zeigte. Bei einem online Autismus-Test fehlte mir ein einziger Punkt, um zum autistischen Spektrum zu gehören. Ich zähle also gerade noch als ’normal‘, was auch nicht stimmt. Wozu mir aber die Beschäftigung mit dem autistischen Spektrum verholfen hat, war ein größeres Verständnis für mich selbst und warum ich manche Emotionen zwar nachvollziehen kann, aber nicht wirklich verstehe. Mut gehört dazu.
Für mich ist es nicht mutig gewesen, meinen Beamtenstatus hinzuwerfen, um zusammen mit meinem Pferd quer durch Deutschland in eine Hofgemeinschaft zu ziehen. Ich habe das nicht nur einmal, sondern zweimal getan. Genauso wenig empfand ich es als mutig, mich mitten in Covid als Tierkommunikatorin hauptberuflich selbstständig zu machen, nachdem ich zuvor bereits einmal mit meiner Selbstständigkeit gescheitert und in den Schuldienst zurückgekehrt war. Für mich war es auch nicht mutig, mir gleich mehrmals an einem neuen Ort mein Leben neu aufzubauen. Ich empfand es nicht als mutig, ohne holzhandwerkliche Ausbildung selbst ein Tinyhaus auf einem nackten Fahrgestell aufzubauen. Auch mit meinem Mini-Camper alleine bis nach Portugal zu fahren, um das Land kennenzulernen und anderthalb Jahre später mit meinem Pferd dorthin auszuwandern, empfand ich nie als mutig. Für mich war all das nicht mutig, sondern teils schlicht notwendig und teils einfach natürlich. Wenn das von anderen als mutig bezeichnet wird, spüre ich keine Resonanz in mir.
Um Mut zu verstehen, musste ich mir das Konzept von Mut intellektuell erschließen. Auf diese Weise habe ich verstanden, dass es im konventionellen Verständnis Angst braucht, um Mut zu entwickeln. Ohne Ängste ist es nicht möglich, Mut zu entwickeln. Das rückt für mich negative Emotionen in ein wundervolles Licht. Vermeintlich negative Emotionen gehen immer Hand in Hand mit positiven. Trauer ist der Beweis von Liebe, denn ohne geliebt zu haben, trauern wir nicht. Wut setzt die Energie frei, die es bisweilen braucht, um Grenzen zu sprengen. Ist das nicht wahrhaft wunderbar, dass negative Empfindungen uns immer auch zu größeren Potentialen hinleiten?!
Ich kenne diese Emotionen und habe sie lange unterdrückt, weil ich das so gelernt habe in der westlichen Welt, in der ich aufgewachsen bin. Natürlich habe auch ich Ängste, aber eben nicht vorm Auswandern, Neuanfängen und Veränderungen. Heute drücke ich Gefühlen keinen Stempel mehr auf und gebe ihnen allen Raum. Durch meine seltsame Mischung aus Hochsensibilität, autistischem Anteil und Intellektualität bin ich eine ausgesprochen gute Raumhalterin geworden, für mich selbst und auch für andere, Mensch und Tier. Weil ich gelernt habe, nachzuvollziehen, was andere bewegt. Weil ich verstanden habe, dass andere anders denken und fühlen als ich. Weil ich verinnerlicht habe, dass jeder seine eigenen Herausforderungen im Leben hat, dass Vergleiche nicht richtig und wir alle ok sind, so wie wir sind, auch ich. Und vor allem, weil ich gelernt habe, ich selbst zu sein. Und auf diesem Weg fand auch der Mut in einer etwas anderen Ausprägung und Definition Ausdruck im meinem Leben. Mein Mutverständnis ist das Geschenk von einem kleinen weißen Pferd.
Von einem mutigen Pferd und unbemerkten Schlüsselmomenten
»Imagine there’s no heaven … above us only sky …«
Was mein Leben verändert hat, war eine Reihe von Entscheidungen, von denen ich nicht wusste, was sie bewirken würden. Als ich an einem verschneiten Dezembertag in mein Auto stieg, um trotz der unvorhergesehenen Wetter- und Verkehrslage ein Pferd anzuschauen, das mich innerlich nicht losließ, wusste ich nicht, dass diese Entscheidung alles verändern würde. Als das zarte Stütchen kurz vor Weihnachten in mein Leben einzog, war mir nicht bewusst, wer sie war und was sie mir bedeuten würde. Als ich beschloss, meinem eigenwilligen und ausdrucksstarken Pferdchen zuzuhören, anstatt den Konventionen der erfahrenen Reitersleute, wusste ich noch nicht, was sie mir alles zu sagen hatte. Als ich aus Neugierde zu einem Basiskurs Tierkommunikation aufbrach, war mir nicht klar, dass dies mir Zugang zu völlig neuen Erfahrungswelten öffnen würde. Rückblickend waren dies die wichtigsten Schlüsselmomente von vielen, deren Bedeutsamkeit sich mir nicht annähernd erschloss, während ich sie erlebte.
Gehört Mut dazu, ein Pferd zu kaufen? Wohl schon, denn man übernimmt viel Verantwortung, in die man erst hineinwachsen muss. Gehört Mut dazu, sich gegen die Konventionen der Reiterwelt zu stellen und andere Wege zu gehen? Ja, denn man steht erstmal ziemlich alleine und orientierungslos da und muss irgendwie und irgendwohin losstolpern und den Mut haben, Fehler zu machen, um aus ihnen zu lernen. Gehört Mut dazu, etwas Neues und womöglich ziemlich Abwegiges auszuprobieren? Bestimmt, denn das birgt immer das Potential von Veränderung, was bedeutet, sich über die missbilligende Gewohnheit in uns hinwegsetzen zu müssen.
Vor allem aber gehört eine gehörige Portion Mut dazu, sich als Pferd in einer Menschenwelt als Persönlichkeit zu behaupten und zu bewahren. Es gehört Mut dazu, als Pferd einem unverständigen Menschen zu zeigen, dass es zwischenpferdmenschlich mehr gibt, als er sich in seinem Reiterdenken vorstellen kann. Es gehört Mut dazu, als Pferd seinen Menschen dazu zu bringen, sich selbst zu erkennen und zu verwirklichen, um in einer pferdeverkennenden Welt ebenfalls sein eigenes Wesen zum Ausdruck bringen zu können. Es gehört Mut dazu, als Pferd in diese Menschenwelt zu kommen und zu hoffen, den richtigen Menschen zu finden. Den, zu dem es wahrhaft gehören darf, der einem wirklich zuhört und es als das einzigartige Wesen liebt und wertschätzt, das es ist.
So war es ein wahrhaft mutiges Pferd, das mich nicht nur zielstrebigst und unerbittlich zu mir selbst führte, sondern auch ein neues Verständnis von Mut lehrte, mit dem ich in Resonanz gehen kann. (Ja, ich führe mit meinem weisen Pferd auch philosophische Gespräche.) Für Szilah ist Mut dazu da, Widerstände zu überwinden, innere und äußere. Angst ist nur einer davon und gar nicht so bedeutend, wie wir glauben. Denn Ängste geben nicht nur uns das Gefühl schwach, klein und machtlos zu sein, im Grunde sind sie genau das selbst. Ängste bringen in den Gefühlen, die sie uns vermitteln, nur das zum Ausdruck, was sie selbst sind: Hilflosigkeit, Unvertrauen, Mutlosigkeit. Angst ist nicht der starke Gegner, für den wir sie halten, sondern einer, der sich aufplustert, um seine Schwäche zu vertuschen.
»Mut ist, Widerständen ins Auge zu blicken mit der tiefsten Gewissheit, selbst stärker zu sein.«
Ich liebe dieses Verständnis von Mut meines Pferdes. (Und ja, das ist ein Zitat aus einem Tiergespräch mit meiner Stute.)
Wie ich ja zu mir selbst gesagt habe und wie mich diese mutige Entscheidung geprägt hat
»Imagine all the people, living for today … linvin‘ life in peace…«
Innere Widerstände waren für mich immer weitaus stärker als äußere. Ich habe schon immer in meiner eigenen Welt gelebt, bestimmt von meinen eigenen Imaginationen aber auch Glaubenssätzen, die ich teils bewusst, teils unfreiwillig tief verinnerlicht habe. Diese Welt habe ich so gut abgeschirmt und gesichert, dass ich selbst den Schlüssel zu meinem eigenen Herzen nicht mehr gefunden habe. Das war meinem Kopf nur recht, er übernahm gern die Kontrolle. Es hat für mein Pferd viele mutige Jahre gebraucht, meinen emotionalen und mentalen Panzer zu knacken.
Es war ein Weg vieler kleiner Schritte. Ein Weg voller Umwege, Strapazen, Krisen aber auch verzaubernder Momente. Ein Weg, der mich gelehrt hat, meine inneren Widerstände anzusehen und zu verstehen, dass ich tatsächlich stärker bin als sie, weil sie meine eigenen Kreationen sind. Ein Weg, der mich gelehrt hat, dass das Leben mir nur Herausforderungen bietet, die ich auch bewältigen kann. Dass ich mein Leben in Wirklichkeit selbst in der Hand habe. Dass ich mich, wenn ich mich für etwas entscheide, gleichzeitig immer auch gegen eine Fülle anderer Möglichkeiten entscheide und dass es nur eine richtige Entscheidung gibt: die Entscheidung für das, was sich hier und jetzt, an diesem Punkt in meinem Leben richtig anfühlt. Dass es nur einen richtigen Weg gibt, nämlich den des Herzens, auch wenn der ganz anders aussieht, als man sich vorgestellt hat. Dass es überhaupt nicht um richtig oder falsch geht, weil das hier das Leben ist und alles dazu gehört: die Angst und der Mut, die Liebe und die Traurigkeit, die Wut und das Glück und alles dazwischen. Dass Annehmen und Verändern zwei Schlüssel an einem Bund sind und man zuerst durch die eine und dann durch die andere Tür treten muss.
Siebenundvierzig Jahre habe ich insgeheim davon geträumt, die Sehnsucht meiner Seele zu befreien und als ich selbst hinaus in die Welt zu treten. Da war kein fulminanter Durchbruch, kein großer Erleuchtungsmoment. Da war nur ein unwegsamer und unübersichtlicher Weg, jenseits der ausgetretenen Pfade. Und ein mutiges kleines Pferd, das darauf bestand, ihn mit mir zu gehen, selbst dann, wenn ich mich im Dickicht verlor oder unverständliche Schlenker lief, weil ich immer wieder von meinem Herzensweg abkam oder Erfahrungen sammeln musste, die ich später brauchen würde. Ich bin viel gewesen auf diesem Weg und habe vieles hinter mir gelassen, auch die vielen Ichs, die ich glaubte zu sein oder deren Rollen ich spielte. Ich habe mich verändert auf diesem Weg der vielen kleinen Schritte mit meinem Pferd. Aber ich habe auch entdeckt, was mich selbst wirklich ausmacht und bin zu der geworden, die ich bin. Das war schwierig für mich, aber als ich erkannt habe, dass es für mich Mut braucht, nicht um Angst, sondern andere, unsichtbare Widerstände zu überwinden, bin ich los- und immer weiter gegangen. Heute begleite ich andere Menschen mit ihren Tieren auf ihren individuellen Wegen der vielen kleinen Schritte.
Was mir geholfen hat, meinen eigenen Weg zu gehen
»Imagine no possessions – I wonder if you can …«
Es ist schade, dass der Begriff des Seelenpferdes so abgedroschen ist. Denn wenn wir aufhören, Pferde als Reittiere zu betrachten, können sie zeigen und wir erkennen, was in ihnen steckt. Pferde sind einzigartige Begleiter auf menschlichen Lebenswegen. Es heißt „Dein Pferd ist dein Spiegel“. Doch dieser Spiegel ist kein dünnes Glas vordergründiger Oberflächlichkeit, sondern ein tiefes Gewässer, schimmernd und facettenreich. Durch die Tierkommunikation darin einzutauchen hat wesentlich dazu beigetragen, gar nicht anders zu können, als meinen Weg zu gehen.
Während ich nur eine vage Ahnung hatte in jenem Moment als ich meiner Stute zum ersten Mal in die Augen blickte, wusste sie sofort, wer ich bin. Mein Pferd kennt mich besser, als ich selbst. Ich bin auf unserem gemeinsamen Weg gestartet ohne Urvertrauen, ohne Selbstwertgefühl, ohne Selbstliebe. Vielleicht war es eine mutige Entscheidung, ihr zu vertrauen. Vielleicht war es mutig, ihr den Stellenwert in meinem Leben zu geben, den sie inne hat. Vielleicht war es mutig, mein Herz öffnen zu lassen von der bedingungslosen Liebe, die ich für sie empfinde. Und auf diesem Wege all das auch in mir selbst zu finden, was mir anfänglich so schmerzlich fehlte.
Vielleicht war es mutig, die Richtung zu wechseln in einer Welt, in der es überall um höher, schneller, weiter, mehr geht. Um’s durchhalten, durchbeißen, funktionieren in Systemen. In der Reiterwelt gibt es keinen anderen Weg zur Seele seines Pferdes, als diese konventionellen Pfade zu verlassen. Womöglich ist es im Rest der Welt und auf dem Weg zur eigenen Seele genauso.
Mut ist für mich nicht nur der große Befeiungsschlag, sondern auch das Durchhaltevermögen auf dem Weg der vielen kleinen Schritte. Von Jahr zu Jahr, da ich meinen Weg mit mit meinem Pferd wanderte, wurde mein Leben einfacher, ursprünglicher, naturverbundener. Ich besaß äußerlich immer weniger und wurde innerlich immer reicher. Ich stieg mehr und mehr aus aus dem Hustle systemischer Hamsterräder und fand dadurch langsam zu Gelassenheit, Frieden, Ruhe, Zuversicht. Es wurde stiller um mich und während ich der leisen Stimme meines Pferdes lauschte, konnte ich nach und nach auch meinen eigenen Herzschlag wieder hören.
Mein Rat für einen neuen Mut
»You may say I am a dreamer – but I am not the only one. I hope some day you’ll join us and the world will live as one.«
Du brauchst kein Pferd, um dich selbst zu finden. Doch wenn du eins hast, dann rate ich dir, ihm zuzuhören. Es gibt niemanden, der tiefer auf den Grund deiner Seele blicken kann, als dein Pferd. Auch dein Hund oder deine Katze kennen dein Herz. Und wenn du kein Tier in deinem Leben hast, dann rate ich dir, in die Natur zu gehen und ihr zu lauschen.
Die Stimme des Herzens ist leise geworden in einer lärmenden Welt. Sie ist sehnsuchtsvoll, wie eine drängende, wehmütige Melodie im Wind. Wir müssen still werden, um sie zu hören. Und ja, auch mutig sein. Vielleicht ist das der größte Mut, den wir im Leben aufbringen müssen. Loslassen, vor allem die Bindung an materielle Besitztümer und die Hektik, die uns von uns selbst ablenkt. Wir müssen still werden und den leisen Zwischentönen unserer Gefühle lauschen, um dem Weg unseres Herzens folgen zu können. Denn alles, was wir dafür wirklich brauchen, tragen wir längst in uns. Wenn wir es hervorbringen, verwandelt sich wiederum das Außen, so ist das wirklich: das Außen passt sich unserer Innenwelt an genauso wie wir uns in unsere äußeren Welten einfügen, um unseren Platz darin zu finden.
Ich glaube, dass es nicht den einen Mut gibt, sondern viele individuelle Mutmomente, die für jeden etwas anderes sind. Doch vielleicht steckt hinter all diesen Ausprägungen doch nur ein einziger Mut, den wir wahrhaft brauchen: der Mut, uns auf die Suche nach uns selbst zu machen, so verschlungen und ungradlinig dieser Weg auch sein mag. Es ist leichter, auf den konventionellen Straßen zu wandeln. Doch jenseits der ausgetretenen Pfade erwarten uns die Wunder des Lebens und der (Pferde-)Welt.
Wow. Was für ein Beitrag! ich bin tief berührt. Sowohl inhaltlich als auch sprachlich einfach toll. Ich wünschte, ich könnte meine Gedanken und Gefühle auch so gut ausdrücken.
Vielen Dank für deine Rückmeldung, liebe Marianne, das freut mich sehr, zumal es mein bislang persönlichster Blogartikel ist. Herzliche Grüße, Natalie
Mein erster Gedanke,als ich mich fragte was Mut ist,war:
Loslassen,Altes loslassen,damit neue Dinge ins Leben kommen können…..
…..einfach mal ins Vertrauen gehen und „nur“ fühlen….
Das ist ein holpriger Weg in sich zu Lauschen und Neues was sich einem zeigt, anzunehmen.
Und vor allem auch erst einmal zu erkennen was gerade oder auch schon sooo lange dran ist.
Liebe Marion, hab herzlichen Dank für deine Gedanken! Ja, Mut hat viel mit Loslassen zu tun… Und auch zu vertrauen und sich seinen Gefühlen zu stellen erfordert oftmals Mut. Zum Glück hast du treue vierbeinige Begleiter auf diesem Weg <3 Herzliche Grüße, Natalie
Liebe Natalie,
das ist eine eindrucksvolle Geschichte, die du erzählst. Dein fehlendes Zugehörigkeitsgefühl als Kind, das erlebte Anders-Sein, die Erkenntnis, dass Mut aus Angst geboren wird, und schließlich deine nächsten mutigen Schritte, die dich nach Portugal geführt haben – ich habe höchsten Respekt!
Ich danke dir für deine einfühlsam geschriebene und berührende Geschichte im Rahmen meiner Blogparade!
Alles liebe für dich, mögest du noch viele Abenteuer erleben!
Susanne
Herzlichen Dank für dein Feedback, liebe Susanne, ich freue mich sehr darüber <3 zumal dieser Blogbeitrag mein bislang persönlichster ist. Liebe Grüße, bleib nicht so, wie du bist 😉 und alles Gute auf deinem persönlichen Weg der Veränderung und Entwicklung!
Liebe Natalie, manchmal ist es ein einziger Satz, der für einen plötzlich raussticht und einem sehr zu denken gibt. Hektik und Dauerbeschäftigung als Ablenkung von sich selbst. Das ist so wahr, eine nützliche Strategie, die gleichzeitig doch im Kern eigentlich traurig ist. Ich habe mich darin so wiedergefunden und beschäftige mich seitdem intensiv mit diesem Thema.
Liebe Joanna, herzlichen Dank für dein Teilen! Es freut mich, dass mein Beitrag dich dazu anregen konnte, dich mit einem für dich persönlich wichtigen Thema zu beschäftigen. Liebe Grüße, Natalie