Traumasensible Tierkommunikation – was ist das?
In der Tierkommunikation arbeite ich auch traumatherapeutisch mit Pferden und Haustieren. Im Tiergespräch zeigt sich sehr schnell, ob ein Tier durch vergangene Erfahrungen traumatisiert ist. Meine Art mit Tieren zu sprechen ist dann besonders traumasensibel. Worauf es in der traumasensiblen Tierkommunikation ankommt und was Trauma-Therapie im Tiergespräch bewirken kann, erfährst du in diesem Fallbeispiel.
Im traumasensiblen Tiergespräch mit Melanies Pferd Cassandra
Melanie und ihre achtjährige Stute Cassandra (alle Namen geändert) waren erst seit kaum mehr als einem Jahr ein Team, als sie sich mit der Bitte um ein Tiergespräch an mich wendete. Cassandra zeigte immer wieder unspezifische körperliche Symptome ohne medizinischen Befund. Melanie schrieb mir:
Ich bin mit Pferden aufgewachsen und hatte dann fast fünfzehn Jahre keinen Pferdekontakt bis ich mir gewünscht habe, wieder mit Pferden zu sein. Und kurze Zeit später kam dann auch schon Cassandra in mein Leben, habe sie dann im Dezember 2023 gekauft. Ich würde sagen, ich bin recht klassisch mit Pferden aufgewachsen und jetzt finden wir unseren eigenen Weg, so dass wir uns auf Augenhöhe und in Einverständnis begegnen können.
Sie ist, bevor sie in meinen Händen war, sehr schlecht und brutal eingeritten wurden. Ich reite sie gar nicht, wir sind ausschließlich zu Fuß unterwegs. Ich habe jedoch das Gefühl, dass sie schon langfristig bereit wäre mich zu tragen (streckenweise), weil sie halt auch gerne mal flotter unterwegs ist. Und ich frage mich, ob sie wohl eine Vorstellung hat wie wir da hinkommen, so das es sich für sie sicher anfühlt. Und die letzte Frage wäre, ob sie etwas auf körperlicher Ebene braucht, um sie in ihren Themen zu unterstützen.
Besonders in Cassandras Auge bat Melanie mich einzufühlen. Sie hatte diesbezüglich vor einigen Monaten bereits bei einer anderen Tierkommunikatrin ein Tiergespräch gebucht. Doch Cassandra zeigte sich unzugänglich und erklärte nur, mit ihrem Auge wäre nichts.
Der Zugang zu traumatisierten Tieren erfordert viel Fingerspitzengefühl. Tiere, die in ihrer Vergangenheit traumatische Erfahrungen machen mussten, haben unterschiedliche Strategien des Selbstschutz entwickelt. Es ist wichtig, die individuellen Stategien zu erkennen und anzuerkennen. Für das traumatisierteTier sind sie stabilisierend und elementar wichtig. Traumasensible Tierkommunikation bedeutet, einerseits die Grenzen des Tieres zu achten und andererseits Zugänge aufzuspüren, die dem Tier helfen, aus sich herauszukommen. Indem ich traumasensibel mit Tieren spreche, öffnen sich mir auch tierische Gesprächspartner, die in anderen Tierkommunikationen nicht erreichbar waren.
Ich unterscheide zwischen der Persönlichkeit und dem Wesen eines Tieres. Was das Tier aus seinen persönlichen Anlagen im Laufe seines Lebens machen konnte, verstehe ich als Persönlichkeit. Diese hat zwar bestimmte Grundzüge, ist aber formbar und veränderbar. Als Wesen eines Tieres begreife ich das, was es tief im Herzen ist. Das Wesen steht für mich in engem Bezug zur Seele und ist unveränderlich. Es ist der heile Wesenskern, der sich auch im traumatisierten Tier danach sehnt, Verwirklichung zu finden. In der traumasensiblen Tierkommunikation betrachte ich beide noch differenzierter als im gewöhnlichen Tiergespräch.
Cassandra offenbarte mir im Erstkontakt zunächst nur einige ihrer Persönlichkeitsmerkmale und Wesensaspekte, doch schnell zeigte sich ihre Strategie.
Cassandra ist zwar präsent, als ich Kontakt mit ihr aufnehme, direkt zugänglich ist sie jedoch nicht. Sie zeigt eine Scheu und Skepsis, die nicht zu ihrem wahren Wesen zu passen scheint und wie ein Schutzpanzer wirkt, der sie davor bewahrt, wirklich zu ihr durchzudringen. Trotz ihrer Zurückhaltung kann sie ihre starke Persönlichkeit nicht verbergen. In ihrem Wesenskern ist sie fein ansprechbar.
Cassandra ist ein mental starkes und auf eine besondere Weise selbstbewusstes Pferd. Sie ist sich ihrer selbst bewusst, hat auf allen Ebenen ein ausgeprägtes Gefühl für sich selbst, körperlich, psychisch und seelisch. Auch ihre Welt und was ihr im Leben widerfährt, erlebt sie mit großem Bewusstsein. Sie ist kein ausgeprägter Kämpfer. Aber sie wehrt sich, nicht immer direkt, oft durch inneren und äußeren Rückzug. Das ist zu ihrer sichersten Strategie geworden, auch wenn sie sich selbst nicht wohl damit fühlt. Cassandra schützt ihr verletzliches Herz, aber ganz verschlossen hat sie es nicht.
Sie hat ihr Vertrauen nicht verloren, doch es hat einen heftigen Knacks bekommen. Es fällt ihr schwer, über ihren eigenen Schatten zu springen. Ihre mentale Stärke hat ihr geholfen, sich selbst zu bewahren. Doch ihrer inneren Prägung und ihren Traumata kann sie nicht entfliehen. Ihre Lebensfreude fließt nicht frei. Sie ist im Hier und Jetzt gekoppelt an Ablenkung und Aktivität und ansonsten eher eine zukünftige Hoffnung. Cassandra erscheint mir mehr in ihrer männlichen als in ihrer weiblichen Kraft zu sein. Eine Strategie, die ihr zwar Durchhaltevermögen verliehen hat, ihr aber emotional nicht gut tut und sie noch mehr aus ihrem inneren Gleichgewicht bringt.
Die Strategien von traumatisierten Tieren, mit ihren Erfahrungen umzugehen – unmittelbar in den traumatisierenden Situationen und auch in der Folge – sind sehr verschieden ausgeprägt. Die Strategie zu erkennen stellt einen ersten Bezug zur Persönlichkeit des Tieres her. Außerdem fühlt sich das Tier gesehen und geachtet. Das erste Eis ist gebrochen, aber einfach wird der weitere Gesprächsverlauf dadurch nicht. Traumasensible Tierkommunikation erfordert viel Hintergrundwissen, Erfahrung und ein besonderes Einfühlungsvermögen auf allen Ebenen – körperlich, psychisch und seelisch.
Traumasensibel begleiten – Melanies Beziehung zu ihrem unreitbaren Pferd
Obwohl Kassandra erst seit recht kurzer Zeit Melanies Pferd war, hatte sich bereits eine tiefe Beziehung entwickelt. Melanie hatte schnell erkannt, dass ihre Stute sich beim Reiten unwohl fühlt, verspannt und unerreichbar wird. Sie hatte aufgehört, Cassandra zu reiten und zunächst in Beziehungsaufbau investiert. Im Alltag hatte Melanie auf diese Weise schnell Zugänge zu Cassandra gefunden. Im Tiergespräch möchte sie ihr sagen:
Liebe Cassandra, seitdem du in mein Leben gestolpert bist, ist so viel passiert. Jeden Tag lehrst du mich, auf mein Herz zu hören. Ich verspreche dir, immer mein Bestes zu geben und für dich da zu sein. Egal was im außen passiert, du wirst bei mir bleiben, auch wenn es vielleicht zwischendurch mal Zeiten gibt, wo wir uns nicht jeden Tag sehen.
Melanies Worte berührten Cassandras Herz:
Kurz flackert ihr innerer Struggle mit ihrer eigenen Verletzlichkeit wieder auf, doch es ist ohnehin längst zu spät: Sie hat dir ihr Herz bereits geschenkt. Du hilfst ihr, ihre verletzliche Seite zu akzeptieren. Auch wenn ihr das oft nicht leicht fällt, bei dir kann sie es. Cassandra weiß ganz tief und fest, dass sie zu dir gehört, dass ihr zueinander gehört.
Dennoch fällt es ihr schwer, ohne dich zu sein. Du bist ihr auf allen Ebenen wichtig: als ihr Mensch, mit dem sie Liebe leben kann, aber auch als ihr wichtigster und bedeutsamster Sozialpartner. Es fällt ihr schwer zu akzeptieren, dich nicht jeden Tag zu sehen. Am liebsten würde sie immer in deiner Nähe leben. Cassandra liebt dich wahrhaftig und bedingungslos, doch sie braucht dich auch.
Die Beziehung zu Melanie war ein weiterer Türöffner im Pferdegespäch mit Cassandra. In meinem Blogbeitrag Praxis Tierkommunikation: Beziehung leben mit dem Herzenspferd habe ich mehr darüber geschrieben, warum die Beziehungsebene auch in Tiergesprächen wichtig ist. In der traumasensiblen Tierkommunikation spielt sie eine besondere Rolle. Die Sachebene ist sehr herausfordernd für das traumatisierte Tier. Es ist wichtig, eine stabilisiserende, einfühlsame und professionelle Beziehungsebene als Basis des traumasensiblen Tiergesprächs zu schaffen.
Cassandra begann, sich zu offenbaren. Im ersten Tiergespräch konnte sie sich jedoch noch nicht auf das Thema Reiten einlassen. Doch sie offenbarte die Schwere ihres Reittraumas.
In Cassandras Brust zieht sich alles zusammen. Ihre Kehle wird fest, ihr Herz flattert, ihre Muskeln verspannen sich und sie zittert innerlich. Ihr Nervensystem gerät aus dem Gleichgewicht und weiß nicht, ob es einfrieren, flüchten oder in die Abwehr gehen soll. Das Reiten ist offenkundig ein sehr schwieriges Thema für sie.
Cassandra ist bereit zu wagen, es anzugehen, auch wenn es ihr immens schwer fällt. Doch sie braucht dafür Zeit und einen sehr sicher gehaltenen Raum. Sie möchte sich zunächst innerlich mit dem Thema auseinandersetzen bevor sie äußerlich damit konfrontiert wird. Die seelische Ebene muss für Cassandra die ersten Schritte in die Heilung gehen bevor sie sich in der Lage sieht, Traumaarbeit auf der körperlichen Ebene zuzulassen. Die Angst vor Schmerzen sitzt extrem tief, ihr körperliches Schmerzgedächtnis ist hypersensibel. Cassandra hat Angst, bereits bei kleinen Schritten zusammenzubrechen, emotional aber auch ganz körperlich.
Körper und Seele hängen zusammen – traumasensible Tierkommunikation ist ganzheitlich
Cassandra drückt stark auf der körperlichen Ebene aus, was sie psychisch belastet. Sie benötigt häufig osteopathische Behandlung, leidet aber auch an anderen unspezifischen Symptomen. So öffnete sie eines ihrer Augen kaum oder selten – ohne medizinische Ursache. Oft hielt sie ihr Auge den ganzen Tag geschlossen oder nur halb geöffnet. Wenn Melanie mit ihr einen Spaziergang unternahm, blickte sie jedoch nach einer Weile mit beiden Augen in die Welt.
Ich fühlte mich neben ihren körperlichen Empfindungen auch in die psychische Dimension dieser Problematik ein. Die Stute zeigte mir neben deutlichen nervlichen Beschwerden:
Die psychische Dimension ihrer Augenproblematik scheint aber eine größere Rolle zu spielen als die körperliche. Cassandra fühlt sich nicht in ihrem inneren Gleichgewicht. Sie fühlt sich innerlich oft wie gelähmt, einsam und hilflos.
Die einzige, die ihr wahrhaft hilft, sich selbst zu spüren und sie selbst zu sein, bist du. Cassandra ist aber auch wütend über diese Bedürftigkeit. Sie braucht dich so sehr, dass sie sich innerlich dagegen wehrt. Sie möchte eure Verbindung nicht durch dieses Gefühl der Abhängigkeit beeinflussen. Doch allein fühlt sie sich hart statt sanft, geht mit Hilfe ihrer männlichen Kraft durchs Leben anstatt ihre weibliche Kraft zu leben. Sie ist innerlich angespannt, anstatt Leichtigkeit und Freude zu erleben, hat Schwierigkeiten, sich einzulassen anstatt aus sich herauszukommen.
Cassandra kämpft innerlich. Durch dich hat sie begonnen, sich zu öffnen, aber allein ist sie oft überfordert mit ihren Gefühlen, denen sie sich haltlos nicht wirklich stellen kann ohne in alte Selbstschutzmechanismen zu verfallen. Sie fühlt sich wie stecken geblieben auf ihrem Heilungsweg und fühlt sich unfähig, damit allein gelassen zu sein. Wenn du da bist, ist das eine Erleichterung für sie. Mit dir unterwegs zu sein und ihrem Alltag zu entfliehen, ist Entspannung für sie auf allen Ebenen und Balsam für ihre Seele.
Cassandra hat zwar keine direkten Probleme mit der Herde, doch sie strudelt mit sich selbst und fühlt sich unfähig, echte Bindungen mit anderen Pferden einzugehen. So gibt ihr die Herde nur äußerlich Halt, aber nicht innerlich und sie fühlt sich mit ihren Themen allein und überfordert. Den anderen Pferden geht es ähnlich – in ihrer Herde gibt es kein einziges nicht traumatisiertes Pferd, das belastet sie zusätzlich.
Es ist kein Ort zum Heilen. Es ist kein schlechter Ort, er bietet Schutz, Versorgung und Raum für Erholung von Trauma. Aber es ist kein Ort, um Trauma loszulassen. Die Herde ist für Cassandra ein Feld, das Trauma konserviert und sie auch tagtäglich an ihre eigenen Traumata erinnert. Die Gesellschaft all der traumatisierten Pferde hält sie in ihrem eigenen Trauma gefangen. In ihrem Zuhause muss sie sich verschließen, denn das Trauma jedes einzelnen lastet auf der Herde. Nur mit dir, draußen im Wald kann sie es wagen, sich zu öffnen, fühlt sie sich leichter und weniger belastet.
Cassandras Äußerungen zeigen, wie wichtig es ist, traumatisierte Tiere ganzheitlich zu begleiten. Sie brauchen Unterstützung, um ihre Erfahrungen zu verarbeiten und ihre Traumata zu lösen.
Wie in jedem meiner Tiergespräche hatte die Stute das letzte Wort. Cassandra bekam am Ende des Erstgesprächs Zeit und Raum, ihrer Melanie von sich aus mitzuteilen, was ihr auf dem Herzen lag. Die anfängliche Verschlossenheit der Stute hat sich im Laufe des traumasensiblen Tiergesprächs langsam gewandelt. Zum Schluss fühlte sie sich sicher genug, um zu offenbaren, was jenseits von Trauma in ihr steckt.
Cassandra ist es wichtig, dir zu sagen, dass sie dich aufrichtig und von ganzem Herzen liebt und unendlich dankbar ist, bei dir zu sein und mit dir durchs Leben zu gehen. Sie fühlt sich schlecht, weil sie Angst hat, den Anschein zu erwecken, dass ihre Liebe zu sehr in Bedürftigkeit gründet, doch das ist nicht so. Ihre Bedürftigkeit ist Ausdruck ihres Traumas, nicht ihrer Liebe. Es ist ihr sehr wichtig, dass du das weißt. Und: egal, wo du hingehst, sie will mit dir kommen und an deiner Seite gehen. Sie ist für dich genauso da, wie du für sie.
Für einen kleinen Moment zeigt sie sich in ihrer ganzen Pracht, in ihrer inneren und äußeren Schönheit und Stärke. Mühelos verkörpert sie scheinbare Gegensätze in ihrem Wesen: Cassandra zeigt sich als eine sanfte und fürsorgliche Kriegerin. Sie besitzt natürlichen Stolz und Anmut, ist charakterstark und sensibel zugleich. Cassandra verkörpert feines Seelenwesen und lebendiges Pferd, verwurzelt in Wildheit und Vertrauen, voller körperlicher Energie und emotionaler Zartheit. Sie ist liebevoll und tief in ihren Beziehungen und klar in ihren Interaktionen. Cassandra ist wachsam und mutig, Herz und Verstand sind in ihr im Einklang.
Dieses Bild von sich selbst hat Cassandra lange vermisst. Danke, dass du es ihr zurückgibst, möchte sie dir noch sagen.
Nachdem Melanie das mehrseitige Protokoll des traumasensiblen Tiergesprächs gelesen hatte, schrieb sie mir:
Liebe Natalie, ich danke dir für deine Zeit und dein Gespräch mit Cassandra! Ich bin sehr berührt. Wir sind uns einfach so ähnlich in unseren Themen, es ist immer wieder faszinierend. Für mich sind jetzt erstmal auch einige Fragen entstanden und ein leichtes Gefühl von Überforderung da, aber ich lasse alles sacken und dann finden wir bestimmt unseren Weg.
Ich war vorhin dann direkt nach der Arbeit bei Cassandra und sie hat sich ganz weich angefühlt und lange mit ihrer Nase ganz nah an mir dran gestanden und dann ihre Nüstern an meine Wange gedrückt, das macht sie selten in ganz besonderen Momenten.
Dass traumasensibler Umgang mit dem geliebten Tier herausfordernd ist, ist ganz natürlich. Tier und Mensch haben nach dem traumasensiblen Tiergespräch viele Informationen und Impulse zu verarbeiten. Das ist emotional fordernd. Doch einige Tage später meldete sich Melanie erneut:
Ich wollte dir noch berichten, dass Cassandras Auge deutlich besser ist, seit der Kommunikation und sie scheint alles in allem viel viel weicher und zeigt sehr offen ihre Freude, wenn sie mich sieht. Das ist sehr berührend! Tausend Dank!
Pferde traumasensibel unterstützen – traumatherapeutisches Tiergespräch mit Cassandra
Melanie wollte Cassandra weiterhin mit traumasensibler Tierkommunikation unterstützen. Im nächsten Tiergespräch arbeitete ich traumatherapeutisch mit ihrer Stute. Cassandra tat sich schwer, sich auf das Trauma-Gespräch einzulassen. Ich ließ ihr Zeit und überbrachte ihr Melanies Botschaft, die ihr Herz erreichte. Melanie zeigte Cassandra, dass sie nicht allein ist in der Bewältigung ihrer Traumata und dass sie sie versteht.
Ich bin so stolz auf dich! Jeden Tag wirst du mutiger und fasst mehr Vertrauen. Ich spüre dich mit jeder Faser meines Seins und sehe dich in deiner Freude, in deinem Schmerz, in allen Facetten und liebe alle Teile von dir. Du machst mich zu einem besseren Menschen, du zeigst mir jeden Tag aufs Neue, was es bedeutet bedingungslos zu lieben. Ich bin stolz auf dich, dass du bereit bist, dir deine emotionalen Traumata anzuschauen. Ich bin stolz auf dich, dass du gelernt hast, mir so klar deine Bedürfnisse zu kommunizieren. Bitte verzeih mir, wenn ich es nicht immer optimal verstehe, ich gebe mein Bestes und manchmal bin ich genau wie du in alten Gefühlen und Geschichten gefangen. Lass uns zusammen Schritt für Schritt in die Freiheit laufen! Ich liebe dich!
Cassandra hält beide Augen geschlossen, während sie deinen Worten lauscht. Ihr linkes Auge ist sanft und weich geschlossen, in ihrem rechten ist ein Druckgefühl spürbar. Ihr linkes Lid flattert wie ein Schmetterling während sie dir zuhört. Ihr rechtes Lid ist schwer und schmerzt. Deinetwegen lässt sie sich ein, nur deinetwegen, das sollst du wissen. Sie vertraut den Menschen nicht wirklich, aber bei dir muss sie es einfach wagen. Es geht nicht anders, sie kann einfach nicht anders. Sie spricht mit dir, weil dein Herz sie versteht, das weiß ihr Herz. Du bist auch die Hoffnung ihres Herzens.
Im traumatherapeutischen Tiergespräch arbeite ich tief auf der seelischen Ebene mit dem Pferd und schaue, was sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt lösen lässt. Traumaarbeit in der Tierkommunikation ist ein Prozess. Oft zeigen die Tiere bereits nach dem ersten Traumagespräch eine deutliche Veränderung. Doch tiefsitzende Traumata zu lösen bedarf mehrerer Sitzungen mit Zeit für Verarbeitung, Integration und Weiterarbeit auf der alltäglichen Ebene dazwischen. Der Prozess im traumasensiblen Tiergespräch geht so sehr in die Tiefe, dass die Tiere sich anschließend in einem veränderten Bewusstseinszustand befinden. Meine traumatherapeutische Arbeit ist unmethodisch und individuell. Sie richtet sich nach dem, was für meinen tierischen Gesprächspartner hilfreich und wichtig ist. Cassandra wollte ihren Weg der Traumatherapie nur mit ihrer Melanie teilen.
Was ist geschehen? fragt Cassandra verwundert während sie mich aus beiden Augen anblickt. Das rechte Lid hängt ein wenig, doch ihre Augen sind klar, rund und tief. Sie kann sich nicht an Einzelheiten erinnern, aber sie spürt die Veränderung und ist noch etwas wackelig auf den Beinen.
Das Reiten ist von nun an ausschließlich ein Thema zwischen dir und ihr, sage ich zu Cassandra. Niemand anderer wird sie je wieder reiten und mit dir kann sie nun lösen, was früher geschah, unabhängig von allem anderen. Cassandra versucht innerlich, nach dem Thema zu greifen, aber sie kann es nicht mehr festhalten. Es bewegt sich in ihr, im Fluss ihrer eigenen Energie.
Es wird sicher noch ein Weg für euch, erkläre ich ihr, und sicher werden noch Herausforderungen und Konfrontationen mit Vergangenheit und Trauma auf euch warten. Aber es ist ein Weg hin zur Heilung und auch zur Freude und ihr werdet ihn gemeinsam gehen.
Ja, das werden wir, entgegnet Cassandra. Sie hat noch keine Vorstellung davon wie, doch sie fühlt sich um einen großen Schmerz leichter, wie ein Pfropfen, der sich gelöst hat. Ich warte mit Cassandra, bis sich ihr System und die in ihm zirkulierende Energie wieder etwas beruhigt hat. Dann legt sie wieder ihren Schutzschild an, bevor sie zurück zur Herde trottet, um sich einzufügen in deren Energie. Was sie erlebt hat, will sie für sich bewahren und nur mit dir teilen.
Melanie schrieb mir nach dem tiertherapeutischen Tiergespräch:
Vielen lieben Dank! Ich war sehr berührt, als ich das gelesen habe und werde es bestimmt auch noch ein paar Mal lesen. Das hat sich beim Lesen nach einem so großen Brocken angefühlt. Ich war jetzt gerade bei ihr und sie hat mich total freudig begrüßt. Ich hab sie ganz anders wahrgenommen. Dann habe ich sie gestreichelt und sie hat ganz viel gegähnt. Danach habe ich ihr die Maske abgenommen und sie hat mich aus ganz weichen, großen Augen angeschaut. Es fühlt sich einfach richtig groß an, was du heute mit ihr gemacht hast und ich bin dir so so so dankbar!
Einige Tag später meldete sich Melanie nochmals:
Ich wollte dir nochmal eine Rückmeldung geben zu Cassandra. Ich hab einfach das Gefühl, sie ist einfach viel freudvoller. Ich war heut mit ihr auf dem Platz und das ist eigentlich immer ziemlich zäh. Aber heute war sie richtig freudig und motiviert und wirkte selber fast verwirrt, wie sie ihre ihre Hinterhand auch mehr benutzen kann. Es fühlt sich auf jeden Fall an, als wäre da was ganz Großes in ihr in Bewegung. Vielen, vielen, vielen Dank! Ich bin wirklich ganz beglückt, was sich da bei ihr alles lösen durfte.
Traumasensibel im Alltag mit ihrem Pferd – Was das für Melanie bedeutet
Traumasensible Tierkommunikation kann kleine Wunder bewirken, doch ein Allheilmittel ist sie nicht. Die Erkenntnisse des Tiergesprächs wollen integriert und auf der alltäglichen Ebene umgesetz werden. Den Worten müssen auch hier Taten folgen. Im Alltag altes durch neues Verhalten zu ersetzen ist ein Prozess, der Entwicklungsschritte erfordert – bei Pferd und Mensch. Unterstützung auf der alltäglichen Ebene bieten hierbei zum Beispiel Jenna von lovehorsesoul im norddeutschen Raum und Theresa von Vaguspferde online und live in Ost- und Süddeutschland. Beide kann ich wärmstens empfehlen.
Da Casssandra ihre emotionalen Themen auf ausgeprägte Weise über ihren Körper ausdrückt und verarbeitet, war dieser Prozess bei ihr mit einigen körperlichen Begleiterscheinungen verbunden. Für Melanie war es schon immer nicht leicht, mit ihren Sorgen um Cassandras Gesundheit umzugehen. Sie bat mich um ein weiteres Tiergespräch, um herauszufinden, wie sie Cassandra helfen könne. Die selbstbewusste Stute hatte klare Worte für ihren Menschen und animierte Melanie, unter anderem an ihrer eigenen inneren Haltung zu arbeiten.
Erstens ist es für sie der einfachste Weg, ihre eigenen Themen über ihren Körper nach außen zu bringen. Sie ist dankbar, dass ihr Körper das für sie übernimmt. So wird es in ihr etwas leichter. Außerdem vermag ihr Körper auszudrücken, was sie selbst nicht in der Lage ist zu kommunizieren.
Zweitens kann sie aber auch nicht aus ihrer Haut, was oftmals nicht so leicht für sie ist. Teile ihres Wesens sind wirklich fest verschlossen, um sie vor Schaden zu bewahren. So fest, dass Cassandra wirklich arg mit festhalten beschäftigt ist und allein nicht mehr loslassen kann. Damit hält sie aber zugleich auch an den vergangenen Traumata fest, vor denen sie ihren Wesenskern schützen wollte.
Drittens fühlt sie sich dir sehr verbunden. Was sie von dir spürt und übernimmt, verarbeitet und drückt sie ebenfalls auf der körperlichen Ebene aus. Ihr Körper trägt also bereits eine ganze Menge und es macht es ihr noch schwerer, wenn du sie mit Sorge betrachtest. Deine Sorgen lasten wirklich schwer auf ihr, macht sie noch einmal deutlich.
Cassandra spürt aber nicht nur Frust, Ärger und Genervtheit in Bezug auf deine Gesundheitsfürsorge. Sie weiß, dass du es im Grunde nur gut meinst und sie ist wirklich froh, dass du dich um ihr Wohlbefinden kümmerst. Das meint sie ganz aufrichtig und ehrlich. Sie weiß, dass dieses Glück nicht selbstverständlich ist und ist dankbar dafür. Ihre Zuneigung zu dir ist grenzenlos und sie freut sich über jede Minute mit dir. Auch deswegen möchte Cassandra, dass du die gemeinsame Zeit nicht mit sorgenvollen Gedanken und Gefühlen schmälerst.
Cassandra forderte Melanie auf, sich damit auseinanderzusetzen, warum sie bei gesundheitlichen Beschwerden ihrer Stute so extrem reagierte. Melanie nimmt die Herausforderung an und macht eine Aufstellungsarbeit dazu. Sie konnte sich darauf einlassen, sich gemeinsam mit ihrer Stute weiterzuentwickeln.
Außerdem wollte Melanie im Gespärch von Cassandra wissen, was diese konkret brauchte, um bezüglich des Reitens die ersten gemeinsamen Schritte zu gehen. Cassandra konnte sich nun darauf einlassen, offen über das Reiten zu sprechen und ihre Bedürfnisse zu kommunizieren.
Ebenfalls darfst du dich auch grundsätzlich über ihren Rücken lehnen oder kurz auf sie drauf setzen. Aber bitte zum einen immer aus dem Moment heraus und nicht so, dass sich eine von euch beiden darauf irgendwie vorbereiten muss. Und zum anderen bitte erstmal wirklich kurz.
Cassandra braucht das Ganze ohne Gedanken davor und dazwischen, sowohl deinerseits als auch ihrerseits. Wenn du den Impuls hast, das zu ‚üben‘, setz ihn direkt um und hüpf wieder runter bevor eine von euch beginnen kann, sich Gedanken darüber zu machen. Das darf wirklich erstmal rein auf der Körperebene stattfinden ohne große Auseinandersetzung davor und währenddessen. Kleine Intermezzi eures gewöhnlichen Alltags, die heimlich und nebenbei selbst irgendwie zu einer Gewohnheit werden, ohne dass ihr etwas dazu tut.
All das darf für Cassandra im Alltag nebenher laufen, auch wenn die größeren Themen noch nicht gelöst sind. Das echte Reiten aber braucht die Beschäftigung mit diesen Themen, zuerst von dir, dann von ihr, so sieht es Cassandra. Dazu ist sie gegenwärtig noch nicht wirklich bereit. Mit dem Weitergehen in der inneren Haltung ‚draufsetzen‘ ohne den Gedanken ans ‚reiten‘ ist sie dagegen fein. Diese Dinge dürfen sich für sie auch parallel weiterentwickeln. Sie ist selbst ein bisschen gespannt, was sich daraus entwickelt.
Cassandra ist nach den traumasensiblen und traumatherapeutischen Tiergesprächen begleitet von Melanie durch intensive körperliche und emotionale Prozesse gegangen. Ihr Auge hat sich seither stark verbessert. Die meiste Zeit geht Cassandra nun mit offenen Augen durchs Leben. Auch wenn sich an ihrer äußeren Umgebung noch nichts verändert hat, hat die Stute innerlich an Stärke und Resilienz gewonnen. Cassandra hat viel verarbeitet und ist nun bereit für die nächsten Schritte, auch auf der alltäglichen Ebene. Von Melanie erreicht mich eine schöne Nachricht, über die ich mich mit den beiden freue:
Ich saß übrigens heute morgen für eine Millisekunde auf Cassandra drauf. Sie stand an der Heuraufe und ich hatte den Impuls, da drauf zu klettern und hab dann ein Bein über sie gelegt und bin ganz kurz drauf gehuscht. Sie hat einmal aufgeschaut und dann weiter gefressen.
Traumasensible Tierkommunikation – Melanies Fazit
Ich kann Natalie von ganzem Herzen wärmstens empfehlen. Sie hat mehrere Gespräche mit meiner Stute geführt, die sowohl sie, als auch mich tief berührt haben. Natalie hat sie in ihrer Essenz erfasst und gesehen und es damit ihr und uns ermöglicht große Schritte auf unserem Weg der Heilung zu gehen. Durch Natalies Arbeit durfte ich sehen, was ich ohne Ihre Unterstützung nicht sehen und hören konnte (oder wollte), ein weiterer Schritt in eine tiefere Herzensverbindung mit meiner Stute, wo ihre Stimme genau so viel zählt wie meine. Danke!
Ich frage mich, nachdem ich diesen Beitrag gelesen habe, woher kannst und weißt du das alles? Dich so in Mensch und Tier einfühlen und ihnen dadurch so sehr zu helfen? Das ist wirklich eine große Gabe. Du hast dir wirklich den richtigen Beruf gewählt!
Liebe Marianne, die Kurzfassung meiner Antwort auf deine Frage ist: Hochsensibilität, jahrelange Erfahrung im Gespräch mit den verschiedensten Tierpersönlichkeiten, zahlreiche Ausbildungen und Kurse sowie viel Lektüre zur Weiterbildung in unterschiedlichen Themenfeldern und eine schwersttraumatisierte Tierschutzhündin als Lehrmeisterin an meiner Seite. Vielleicht sollte ich über meinen Weg in der Tierkommunikation mal einen Blogbeitrag schreiben…? Liebe Grüße, Natalie
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